Leuchtende Pilze
Als Däumelinchen bei dem Maulwurf zu Gaste war, erhellte der sein dunkles Haus mit einem Stümpfchen bläulich leuchtenden Holzes. Diese reizende Erinnerung an die Zauberwelt erster Kindheitstage wird wieder lebendig beim Anblick des seltsamen Bildes einer brasilianischen Tropennacht im Walde. Man ist geneigt, für Übertreibung zu halten, daß dort solche Glühbirnchen von der Natur selbst als Festbeleuchtung an die Bäume gehängt seien. Aber die moderne Naturforschung bestätigt es; auch mit nüchternen Beweisstücken kann sie es nicht anders sagen, als das Märchen vergangener Zeiten. Grüngoldige Laternchen fliegen von selbst in der Luft, und in sanftem Glimmlicht erstrahlen Pilze tief unten im Moder des Wurzelwerkes. Zu Hunderten stehen drollige Pilzhüte, von lichtschimmernden Säumen umflossen im feuchten Grund, und wie verlorene Brillanten der Lichtelfe glänzt im Laube und hoch im Geäst noch manch ein Leuchtfunken, der sich im Tageslicht als mißfarbiges unscheinbares Pilzknöllchen erweist.
Aber dieses Reich der Leuchtinsekten und Leuchtpilze entzückt nicht nur die Sinne, es regt auch den Denker an. Ist er in der heimischen Natur bewandert, so weiß er, daß das Leuchten mancher Tiere und Pflanzen kein Vorzug der Tropen ist. Glühwürmchen — die aber in Wirklichkeit Käfer sind — durchschwirren auch bei uns die Sommernacht, und im feuchwarmen Brodem des Frühlingswaldes wird allnächtig ein nicht minder wunderbares Feuerwerk abgebrannt; nur verbirgt es sich wirklich dort, wo das Märchen es will, im Maulwurfshause, unter der Erde, im Moder des Laubes, versteckt unter der Rinde am Boden morschender Stämme. Es sind freilich nur blasse Funken, das zarteste Glimmen, ein geisterndes Huschen feinster Lichtstrahlen, aber dem Wesen nach nichts andres als im Zauberwald der Tropen. Und in beiden Fällen verbirgt sich in dem stummen Leuchten dasselbe wunderbare Geheimnis der Natur.
Wir haben es gelüftet, aber noch nicht ganz durchsichtig gemacht. Auch die heimischen Hutpilze und Bakterien, die an der nächtlichen Waldbeleuchtung beteiligt sind, erzeugen ihr Phosphorfünkchen durch Atmung, durch die gleiche langsame Verbrennung, die auch des Menschen Brust warm und tãtig erhält; soviel hat forschender Scharfsinn sichergestellt. Die Wissenschaft hat uns gezeigt, daß die Pflanze durch Atmung nicht nur magisches Licht herzustellen weiß, sondern auch Wärme, die sich in mancher Blüte am Tage ihres Hochzeitsfestes so ansammelt, daß sie daran stirbt und bei der selbsterzeugten Temperatur von 51°C verwelkt das Köpfchen senkt. Sie hat uns damit die Einheit alles Lebendigen gezeigt und ein hundertfach wertvolles, helles Licht auf den Weg des Lebens mitgegeben. Aber noch ist sie stumm auf die Frage, wieso Atmung Licht erzeugt, und welcher Sinn sich in den so feierlich verglimmenden Lichtfünkchen birgt.