Geschichte

Projekt “alexandria.de”

Als in den 1990er Jahren in den einschlägigen Computer-Zeitschriften die ersten Artikel über HTML erschienen und mit dem Mosaic-Browser ein unter Linux lauffähiger Webbrowser verfügbar war, begann ich mit den ersten Experimenten.
Schnell war mir klar, dass mit dem World Wide Web die Möglichkeit geschaffen war, Inhalte und Wissen der ganzen Welt zur Verfügung zu stellen. Werke der Weltliteratur wie Goethe’s “Faust” brauchten nur einmal digitalisiert oder abgetippt und online gestellt werden und jeder kann darauf zugreifen. Die Idee einer digitalen Bibliothek war geboren. Ich verwirklichte diese auf einem eigenen Root-Server, als Administrator, Programmierer und “Redakteur” in einer Person. In Reminiszenz an die berühmte antike Bibliothek in Alexandria ging ich unter “alexandria.de” 1997 online.

Die digitale Bibliothek "Alexandria" ist nun seit 1997 unter der Webadresse "https://www.alexandria.de/" online. Sie hatte und hat - wie die Bibliothek des Altertums in Alexandria - weiterhin unverändert das Ziel Wissen und Kultur zu vermitteln.

In der "Bibliothek Alexandria" wird gemeinfreie ("Public Domain") deutschsprachige Sach- und Weltliteratur angeboten und inhaltlich erschlossen. Unter dem Begriff Gemeinfreiheit versteht man “Frei von Urheberrecht”:

"Nach heutigem Stand endet der Urheberrechtsschutz 70 Jahre (§ 64 UrhG) nach dem Tod des Urhebers, "post mortem auctoris", abgekürzt p.m.a.. Eine Ausnahme bilden anonyme und pseudonyme Werke, für die das Todesjahr des Autors nicht bekannt ist. Bei ihnen ist das Erscheinungsdatum, bei Nichtveröffentlichung das Entstehungsdatum maßgeblich."

(s. Wikipedia)

Rechtsgrundlage: Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (UrhG)

Quelle: Online-Ausgabe, PDF

Auszüge:

  • § 1 Allgemeines:
    Die Urheber von Werken der Literatur, Wissenschaft und Kunst genießen für ihre Werke Schutz nach Maßgabe dieses Gesetzes.

  • § 3 Bearbeitungen:
    Übersetzungen und andere Bearbeitungen eines Werkes, die persönliche geistige Schöpfungen des Bearbeiters sind, werden unbeschadet des Urheberrechts am bearbeiteten Werk wie selbständige Werke geschützt. Die nur unwesentliche Bearbeitung eines nicht geschützten Werkes der Musik wird nicht als selbständiges Werk geschützt.

  • § 64 Allgemeines:
    Das Urheberrecht erlischt siebzig Jahre nach dem Tode des Urhebers.

  • § 65 Miturheber, Filmwerke:
    (1) Steht das Urheberrecht mehreren Miturhebern (§ 8) zu, so erlischt es siebzig Jahre nach dem Tode des längstlebenden Miturhebers.
    (2) Bei Filmwerken und Werken, die ähnlich wie Filmwerke hergestellt werden, erlischt das Urheberrecht siebzig Jahre nach dem Tod des Längstlebenden der folgenden Personen: Hauptregisseur, Urheber des Drehbuchs, Urheber der Dialoge, Komponist der für das betreffende Filmwerk komponierten Musik.

Die historische Bibliothek Alexandria

"(...) Auf ihrer gegenwärtigen Kulturstufe ist die Menschheit nichts weiter als ein anmassender Neuling, der nach viereinhalb Jahrmilliarden auf dem Schauplatz unseres Planeten auftauchte, sich ein paar Jahrtausende umschaute und sogleich im Besitz ewiger Wahrheiten wähnte. In einer so schnellem Wandel unterworfenen Welt wie der unseren jedoch muss diese Einbildung geradewegs ins Verderben führen.
Keine Nation, keine Religion, kein Wirtschaftssystem, keine Wissensinstitution kann alle für unser Überleben notwendigen Antworten kennen. Es muss viele unseren derzeitigen Gesellschaftssystemen weit überlegene Möglichkeiten geben, und es ist unsere Aufgabe, sie im Namen unserer Wissenschaftstradition ausfindig zu machen.

Einmal nur hat sich in der vergangenen Menschheitsgeschichte eine glanzvolle wissenschaftliche Zivilisation abgezeichnet. Als Nutzniesserin des ionischen Erwachens hatte sie ihre Hochburg in der Bibliothek von Alexandria aufgerichtet, wo vor 2000 Jahren die besten Köpfe der Antike die Grundlagen für das systematische Studium der Mathematik, Physik, Biologie, Astronomie, Geographie und Medizin legten, Grundlagen, auf denen wir heute noch aufbauen. Errichtet und unterhalten wurde die Bibliothek, die von ihrer Gründung im 3. vorchristlichen Jahrhundert bis zu ihrer Zerstörung 700 Jahre später als Kopf und Herz der antiken Welt fungierte, von den Ptolemäern, den griechischen Königen, die als Anteil am Reich Alexanders des Grossen Ägypten geerbt hatten.

Unter ihnen rückte Alexandria zur Verlagshauptstadt unseres Planeten auf. Natürlich gab es damals noch keine Druckerpressen. Die Bücher mussten von Hand abgeschrieben werden und waren dementsprechend teuer. Dennoch besass die Alexandrinische Bibliothek die exakteste Kopiensammlung der Welt, und ausserdem wurde hier die Kunst der kritischen Herausgabe erfunden. Auch das Alte Testament in der uns bekannten Fassung geht weitgehend auf die in der Alexandrinischen Bibliothek angefertigten griechischen Übersetzungen zurück. Die Ptolemäer investierten einen guten Teil ihres unermesslichen Reichtums in den Erwerb von Büchern aus aller Welt, aus Afrika, Persien, Indien und Israel, vor allem aber aus Griechenland. So bedrängte Ptolemäus III. Euergetes die Athener, ihm die Originalmanuskripte oder offiziellen Staatskopien der grossen Tragödien von Sophokles, Aischylos und Euripides zum Kopieren zu überlassen. Aber die Athener, die diese Manuskripte, ähnlich wie die Engländer die handschriftlichen Kopien und ersten Folioausgaben von Shakespeare, als kulturelles Erbe heilig hielten, wollten die Originale erst nicht aus der Hand geben, liessen sich dann aber durch Hinterlegung einer ansehnlichen Summe doch dazu bewegen. Ptolemäus jedoch veranschlagte die Schriftrollen höher als Gold und Silber und gab das Pfand leichten Herzens hin. Die kostbaren Manuskripte wurden der Bibliothek einverleibt, und die Athener mussten sich wohl oder Übel mit den Kopien begnügen, die der Herrscher ihnen ohne sonderliche Zerknirschung überreichen liess. Nur selten hat ein Staatswesen das Streben nach Wissen so aktiv unterstützt.

Doch die Ptolemäer sammelten das bereits gewonnene Wissen nicht nur, sondern bauten es durch grosszügige Förderung und Finanzierung der wissenschaftlichen Forschung auch immer weiter aus. Die Ergebnisse konnten sich sehen lassen: Erastosthenes berechnete exakt die Grösse der Erde, fertigte eine Weltkarte an und bewies, dass man von Spanien westwärts segelnd Indien erreicht; Hipparch katalogisierte als erster die Position und Grösse der Sterne und entdeckte dabei Veränderungen, die ihn die Erkenntnis, dass Sterne entstehen, jahrhundertelang gemächlich ihre Bahn ziehen und schliesslich wieder verlöschen, vorwegnehmen liess; Euklid schrieb ein Lehrbuch über Geometrie, das 2300 Jahre lang an den Schulen verwendet wurde und Keplers, Newtons und Einsteins wissenschaftliches Interesse wecken half; Galen verfasste Werke über die Heilkunst und Anatomie, die die Medizin bis zur Renaissance beherrschten. Und dazu kamen, wie wir weiter vorn bereits gesehen haben, noch viele andere mehr.

Alexandria war die grösste Stadt der antiken Welt. Hier liessen sich Angehörige aller Nationen nieder, trieben Handel und widmeten sich der Gelehrsamkeit. Tagtäglich drängten sich Kaufleute, Wissenschaftler und Touristen in den Häfen, tauschten Griechen, Ägypter, Syrer, Hebräer, Perser, Nubier, Phönizier, Italer, Gallier und Iberer Waren und Ideen aus. Hier dürfte das Wort Kosmopolit - Bürger nicht nur einer Nation, sondern des Kosmos - seine wahre Bedeutung erhalten haben. Bürger des Kosmos ...

Hier liegen ohne allen Zweifel die Ursprünge der modernen Welt. Warum aber ist die Saat nicht aufgegangen und gediehen? Warum ist der Westen statt dessen in einen tausendjährigen dumpfen Schlaf gesunken, bis Kolumbus und Kopernikus und ihre Zeitgenossen die in Alexandria geleistete Vorarbeit wiederentdeckten - eine Frage, die sich nicht ohne weiteres beantworten lässt. Fest steht aber, dass sich in der ganzen Geschichte der Bibliothek kein Hinweise darauf findet, dass irgendeiner ihrer namhaften Wissenschaftler und Gelehrten die damals gängigen politischen, wirtschaftlichen und religiösen Annahmen ernstlich in Frage gestellt hätte. Die Unvergänglichkeit der Sterne wurde bezweifelt - die Berechtigung der Sklaverei nicht. Wissenschaft und Bildung ganz allgemein waren das Vorrecht weniger Privilegierter. Die breite Bevölkerung ahnte nicht, welch grosse Entdeckungen hinter den Mauern ihrer Bibliothek gemacht wurden. Sie erfuhr nichts von den neuen Erkenntnissen, die weder erläutert noch allgemeinverständlich dargestellt wurden, und hatte damit wenig Anteil an der Forschung. Entdeckungen auf dem Gebiet der Mechanik und der Dampftechnologie wurden hauptsächlich zur Verbesserung der Waffen, zur Untermauerung des Aberglaubens und zum Vergnügen der Könige eingesetzt.
Dass Maschinen dem Volk mehr Freiheit verschaffen könnten, entging den Wissenschaftlern der damaligen Zeit.

Mit einer einzigen Ausnahme: Die von Archimedes wärend seines Aufenthalts in der Alexandrinischen Bibliothek erfundene Wasserschraube wird in Ägypten noch heute zur Bewässerung der Felder eingesetzt. Doch selbst Archimedes hielt derartige Erfindungen für weit unter der Würde der Wissenschaft.

Da die grossen geistigen Errungenschaften der Antike kaum unmittelbare praktische Auswirkungen zeitigten, fing das Volk für die Wissenschaft auch nicht Feuer, und so gab es kein Gegengewicht gegen geistige Trägheit, Pessimismus und die abscheulichsten Auswüchse des Mystizismus. Als sich der Mob schliesslich zusammenrottete, um die Bücherei niederzubrennen, trat ihm niemand entgegen, um ihm Einhalt zu gebieten.

Als letzte Vertreterin der Wissenschaft arbeitete in der Bibliothek eine Frau von einer auch heute noch bewundernswert vielseitigen Bildung: die Mathematikerin, Astronomin, Physikerin und Leiterin der neuplatonischen Schule der Philosophie Hypatia. 370 in Alexandria geboren, zu einer Zeit, in der Frauen als Eigentum behandelt wurden und wenig zu sagen hatten, bewegte sich Hypatia frei und unbefangen in Domänen, die traditionellerweise den Männern vorbehalten blieben. Die Berichte schildern sie übereinstimmend als grosse Schönheit mit vielen Verehrern, die jedoch alle Heiratsanträge ausschlug. Alexandria, seit langem schon unter römischer Herrschaft, stand zu diesem Zeitpunkt unter grossem Druck. Die Sklaverei hatte der klassischen Zivilisation die Lebenskraft ausgesaugt, und die wachsende christliche Kirche festigte ihre Macht und suchte die heidnische Kultur und ihren Einfluss auszurotten. Hypatia stand im Epizentrum dieser mächtigen sozialen Kräfte. Der Erzbischof von Alexandria, Kyrillos, verachtete sie wegen ihrer engen Freundschaft mit dem römischen Statthalter und als Symbol der von der Urkirche weitgehend mit Heidentum gleichgesetzten Gelehrsamkeit und Wissenschaft. Hypatia jedoch setzte trotz drohender Gefahr für Leib und Leben ihre Lehr- und Publikationstätigkeit fort, bis sich 415 der von Kyrillos aufgehetzte Mob auf dem Weg zur Bibliothek auf sie stürzte, sie vom Wagen zerrte, ihr die Kleider vom Leib riss und mit Muschelschalen das Fleisch von den Knochen schnitt. Ihre Überreste wurden verbrannt, ihre Werke getilgt, ihr Name vergessen und Kyrillos zum Heiligen erhoben.

Uns ist vom Glanz der Alexandrinischen Bibliothek nur eine schwache Erinnerung verblieben. Schon bald nach Hypatias Tod wurden die letzten Überreste zerstört. Es war, als hätte sich die ganze damalige Zivilisation eigenhändig einen Teil des Gehirns weggeschnitten und damit die meisten Erinnerungen, Entdeckungen, Ideen und Leidenschaften unwiederbringlich ausgelöscht. Der Verlust scheint unermesslich. In manchen Fällen sind uns - eine Tantalusqual - nur die Titel der vernichteten Werke erhalten, meist jedoch kennen wir weder Titel noch Verfasser. Von 123 in der Bücherei aufbewahrten Sophoklesdramen haben nur sieben überlebt, freilich nicht die hier aufbewahrten, denn die Schriftrollen dieser grandiosen Bibliothek sind samt und sonders untergegangen. Ein ähnliches Zahlenverhältnis gilt auch für die Werke von Aischylos und Euripides - gerade, als wären von einem Mann namens William Shakespeare nur Coriolan und Das Wintermärchen erhalten geblieben, während andere, zu Lebzeiten des Dramatikers offensichtlich hochberühmte Stücke wie Hamlet, Macbeth, Julius Caesar, König Lear, Romeo und Julia untergegangen wären.

Im modernen Alexandria spielt die ehedem so berühmte Bibliothek wie die voraufgegangene, jahrtausendealte ägyptische Kultur keine grosse Rolle mehr. Nur wenige interessieren sich noch dafür, geschweige denn, dass sie mehr darüber wissen. Ereignisse aus jüngerer Zeit, andere kulturelle Imperative haben sich, wie überall auf der Welt, in den Vordergrund geschoben.
Wir unterhalten nur eine äusserst dürftige Beziehung zu unserer Vergangenheit. Und doch finden sich nur einen Steinwurf von den Ruinen des Serapeums entfernt Überreste vieler Kulturen: rätselhafte Sphinxe aus dem Ägypten der Pharaonen; eine grosse Säule, die irgendein Speichellecker aus der Provinz dem römischen Kaiser Diokletian zum Dank dafür errichtete, dass er die Alexandriner nicht gänzlich verhungern liess; eine christliche Kirche; viele Minarette; und das Wahrzeichen der modernen Industriezivilisation - Etagenhäuser, Autos, Strassenbahnen, städtische Elendsviertel und ein Mikrowellen-Relaisturm. So haben sich Millionen Fäden aus der Vergangenheit zu den Kabeln und Trossen der modernen Welt verschlungen.

Unsere Errungenschaften bauen auf der Leistung von vierzigtausend Generationen auf, Menschen, die mit Ausnahme eines winzigen Bruchteils als Namenlose längst vergessen sind. Von Zeit zu Zeit stolpern wir über eine bedeutendere Kultur wie die von Ebla, die vor wenigen Jahrtausenden blühte und bis vor kurzem völlig unbekannt war. Wie wenig wir doch über unsere eigene Vergangenheit wissen! Inschriften, Papyri und Bücher binden die Menschheit in die Zeit ein, und so ist es uns vergönnt, wenigstens ein paar Stimmen, ein paar schwache Rufe unserer Brüder und Schwestern zu hören, die uns in ferner Vergangenheit vorausgegangen sind. Welch freudiges Erkennen, wenn wir entdecken, wie ähnlich sie uns sind!

(...) Eratosthenes, Demokrit, Aristarch, Hypatia, Leonardo, Kepler, Newton, Huygens, Champollion, Humason, Goddard, Einstein ... Sie alle sind Vertreter der westlichen Kultur, handelt es sich doch bei der auf unserem Planeten im Entstehen begriffenen wissenschaftlichen Zivilisation im wesentlichen um eine Zivilisation westlicher Prägung. Daneben jedoch haben auch alle anderen Kulturen - die chinesische so gut wie die indische, westafrikanische und mittelamerikanische - durch schöpferische Denker massgeblich zu unserer globalen Gesellschaft beigetragen, jener einen, weltumspannenden Gemeinschaft, die sich dank der Fortschritte in der Kommunikationstechnik auf unserem Planeten in geradezu halsbrecherischem Tempo herausbildet. Wir befinden uns bereits im Endstadium der Entwicklung: Gelingt es uns, die Selbstzerstörung zu vermeiden und die Erde zusammenzuschliessen, ohne doch die kulturellen Unterschiede zu verwischen, können wir auf unsere Leistung stolz sein.

Unweit der Stelle, an der einst die Alexandrinische Bibliothek stand, findet sich heute eine Sphinx ohne Kopf aus der Zeit des Pharaos Haremhab (8. Dynastie, d.h. rund ein Jahrtausend vor Alexander) und in Sichtweite des Löwenkörpers ein moderner Mikrowellen-Relaisturm - zwei Schöpfungen, durch den fortlaufenden Faden der Menschheitsgeschichte miteinander verknüpft. (...)"

Carl Sagan, "Unser Kosmos"